Totentanz Inszenierung – Teil 2 & 3
- Lidia Buonfino
- 31. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Aug.
Von der Vision zum gesprochenen Bild
In Teil 1 meiner Totentanz-Erzählung ging es um den Ursprung einer Idee: eine nächtliche Prozession zwischen Diesseits und Jenseits, Leben und Vergänglichkeit.

Die zentrale Prozession mit der ausdrucksstarken Musik von Anja Herrmann, die 2023 – als tragendes Element des Totentanzes – entwickelt wurde, blieb in beiden Jahren erhalten. Sie bildete stets die Basis der Inszenierung, auch wenn sich der Rahmen und 2025 die Position innerhalb des Gesamtprogramms veränderten. In den Jahren 2024 und 2025 wuchs daraus eine Inszenierung, die sich stetig weiterentwickelte – getragen von Bildern, Poesie, Gemeinschaft und einer Vielzahl künstlerischer Stimmen.
Teil 2: 2024 – Die Vision zieht in die Arena
2024 bestand die Hauptaufgabe darin, den Totentanz in die Arena zu bringen – als Teil des Vorprogramms des Kaltenberger Ritterturniers: eine kurze, kraftvolle Erzählung vor dem Turnierstart. Eine große Herausforderung – nicht nur wegen der enormen Größe der über 10.000 Sitze fassenden Arena, sondern auch wegen der fragilen Situation, in der das Publikum noch dabei ist, seine Plätze zu finden...

Ich wollte diese Zuschauer mit einer Geschichte fesseln. Einer Erzählung, in der ein Mensch – es könnte einer von ihnen sein – plötzlich dem Tod entgegentritt.
Ich suchte nach einem literarischen Rahmen, der dem Publikum diesen Kontext gibt – und fand ihn bei Hugo von Hofmannsthal: „Der Tor und der Tod“.
Der Dialog zwischen dem Tod und Claudio bildet die Rahmenerzählung, die das Publikum abholt. Ich sprach beide Rollen – den Tod und Claudio – und spielte Claudio als „Jedermensch“, der direkt aus dem Publikum tritt. Den Dialog nahm ich gemeinsam mit Marco Musiol auf. Er hat meine Stimme mit der emotionsstarken, soundtrack-artigen Musik von Erdenstern kombiniert und den Sound auch für die anschließende Vision gestaltet.
„Du schlimmer Tor, ich will dich lehren, das Leben, eh du’s endest, einmal ehren.“
Diese Worte eröffnen eine Vision des klassischen Totentanzes, wie er etwa im Lübecker Dom dargestellt wurde:eine Reihe von Figuren unterschiedlichster Herkunft – Kaiser, Kaufmann, Bauer, Arm und Reich – die vom Tod geholt werden.
Ich entschied mich bewusst für eine Reduktion auf drei archetypische Figuren: das Mädchen, die sexuell erblühte Frau und die Alte – jede von ihnen begegnet dem Tod anders, jede steht für eine Lebensphase. Der Tod zeigt sich ihnen in unterschiedlicher Gestalt.
Während also der Dialog erklang, blieb die folgende Vision, die der Tod dem Claudio zeigt, rein visuell: getragen von starken Bildern, ausdrucksvollen Kostümen und einem wabernden Heer von Toten – eindrucksvoll, fast körperlich spürbar.
Teil 3: 2025 – Die Vision bekommt eine Stimme
2025 wanderte der Totentanz auf die große Schloßgrabenbühne und wurde um neue Ebenen erweitert, während die Prozession auf die Schloßstraße verlegt wurde.

Jörg „Magister“ von Winterfeld – Dramaturg, Schauspieler, Komödiant – und Frank Oswaldt Buss alias Don Oswaldo – einer der berüchtigten „Schmierenkomödianten RoKuS KoKuS“ –brachten gemeinsam einen Totentanz auf die Bühne, wie er im Mittelalter als Mysterienspiel gespielt worden sein könnte: flapsig, witzig und voller Präsenz – und immer mit Respekt vor der Tiefe des Themas.
Sie holten das Publikum ab und leiteten es mit Charme und Leichtigkeit über in den dramatischeren Teil der Inszenierung: die Vision mit den drei Lebensphasen-Figuren, die wir schon im Jahr zuvor für die Arena entwickelt hatten. Dank der intimeren Bühnensituation konnten wir das Spiel feiner ausgestalten – und erstmals bekam auch die Vision eine eigene Sprache.
Die Texte wurden von Jörg von Winterfeld und mir gemeinsam entwickelt. Jörg hatte bereits 1991 bei der legendären Totentanz-Inszenierung von Kramer, Zunft & Kurtzweyl mitgewirkt. Die historische Textbearbeitung von Thos Renneberg (Theater Narrattak) diente uns als Grundlage – und wurde von Jörg mit viel Liebe und Inspiration für unser Mysterienspiel neu gedichtet.
Neue Figuren – neue Dimension
Ergänzt wurde die Inszenierung 2025 durch neue Figuren: Inspiriert von der „Zusammenfassung und kurzer Inhalt des tragischen Dramas vom Tod oder Totentanz“, gespielt 1606 in Ingolstadt, holten wir die Diener des Todes auf die Bühne:
Morbus – die Krankheit
Casus – der tödliche Zufall
Tempus – die Zeit
Ihre Dreizahl spiegelt sich in den drei weiblichen Lebensphasen der Vision:
Das Mädchen, das noch nicht gelebt hat, stirbt an der unbarmherzigen Krankheit;
die Frau, die mit dem Tod kokettiert, wird vom Zufall getroffen;
und die Alte wird von der Zeit schließlich befreit. So überlagern sich zwei Dreiklänge – weibliche Erfahrung und die Kräfte des Todes – zu einem dichten erzählerischen Bild.
Die aufwendig gearbeiteten Kostüme der Todesdiener wurden von Meike „Mirimah“ Münch genäht, der eindrucksvolle Kopfschmuck entstand durch Lova Rimini mit Unterstützung von Betty Baci – beide haben mit ihrer Handschrift das Erscheinungsbild dieser Figuren entscheidend geprägt.
Das Ensemble – ein echtes Gesamtkunstwerk
Der Kaltenberger Totentanz lebt nicht nur von Text und Kostüm – sondern von der Kraft der Zusammenarbeit: Florentine Hoffmann, Produzentin, Lichtgestalterin, Möglichmacherin – hat diese Vision mitgeformt und ermöglicht.
Meike „Mirimah“ Münch, meine enge Mitstreiterin als Tänzerin, Kostümkünstlerin und organisatorische Kraft – gemeinsam sind wir das Duo Miridia. Lova Rimini, ihre tragbaren Kunstwerke prägen unsere visuelle Welt – von Kopfschmuck bis Ausstattung.

Und vor allem ein riesiges Ensemble aus Lagern, Unterstützer:innen und Helfer:innen – die nicht einfach mitgespielt haben, sondern meine Vision zu ihrer eigenen gemacht haben.
Sie haben sich mit Mut, Spielfreude und Herz auf dieses verrückte Abenteuer eingelassen, Stelzenlaufen gelernt, Sänften getragen, Nebel gefüllt, improvisiert, organisiert, geleuchtet, gelitten, geschwitzt, sind durch den Regen mit uns gegangen – und sind auf der Bühne über sich hinausgewachsen.
Sie sind das Herz dieses Projekts. Ohne sie wäre es nur ein Gedanke geblieben.
Die Zusammenarbeit mit jeder und jedem Einzelnen von ihnen war für mich das Kostbarste an der gesamten Erfahrung. Fotocredits: Kaltenberger Ritterturnier, PCL Photodesign, Tanja & Jürgen Photography













































Wann und wo kann man euch erleben? Würde mir das sehr gerne mal anschauen. Liebe Grüße Kerstin Panzner
DANKE liebe Lidia und alle Mitwirkenden für die Umsetzung und stetige Weiterentwicklung dieses imposanten Gesamtkunstwerks. Ich bin froh und stolz, als Teil des Laienensembles mitspielen zu dürfen. Und freue mich schon auf 2026.
♥️🖤Grüsse Thorsten